Neues von der Pflegekasse: die neuen Pflegegrade ab 2017

Mit dem neuen Jahr wird es ein neues Verfahren geben, mit dem die Pflegebedürftigkeit festgestellt wird. Statt 3 Pflegestufen und 2 Stufen für die Beschreibung des sogenannten »zusätzlichen Betreuungsbedarfs« wird es nun 5 Pflegegrade geben. Diese sind:

  • Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
  • Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte
  • Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte
  • Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte
  • Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte

Ausgeschrieben gehört diese neue Begutachtungsrichtlinie (BRi) vom 15.04.2016 »… zum Verfahren der Feststellung von Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem elften Buch des Sozialgesetzbuches«.

Wir haben die Einschätzung, dass diese Neufassung der Begutachtungsrichtlinien (BRi) die auch unter dem Namen »Das neue Begutachtungsassesment (NBA)« gefunden werden kann — gerade für Menschen mit Behinderungen und Ihre Angehörigen deutliche Verbesserungen mit sich bringen wird.

Daher wollen wir Ihnen diese Veränderungen im Folgenden darstellen. Da die Beratungsstelle mittlerweile die Möglichkeit hatte, dazu an einer umfassenden Schulung teilzunehmen, können wir Ihnen ab sofort, dann auch zu diesen neuen Pflegegraden bzw. der Einstufung darin Beratung anbieten.

Diese Richtlinie kann auch auf der Webseite Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) heruntergeladen werden. Dazu gibt es nun auch Empfehlungen unseres Verbandes für Betroffene und ihre Angehörige, die wir Ihnen auf hier zugänglich machen oder Ihnen auf Anfrage auch zuschicken können.

Ab sofort wird hier nicht mehr die für die Pflege notwendige Zeit erhoben, sondern es werden in 6 Modulen viele Dinge abgefragt, nach denen dann Punkte vergeben werden. Diese Punkte sollen dann die Einschränkung der Selbstständigkeit beschreiben. Diese neuen Richtlinien gelten aber nur für Anträge, die nach dem 01.01.2017 gestellt werden.

Diejenigen, die bereits jetzt schon eine Pflegestufe haben, werden übergeleitet. Darüber, in welchen Pflegegrad übergeleitet wird, müssen alle Pflegekassen ihre Versicherten bis zum 31.12.2016 persönlich informieren. Für diese Überleitung gibt es die folgenden Vorgaben:

  • Keine Pflegestufe mit zusätzlichen Betreuungsleistungen: Pflegegrad 2
  • Pflegestufe 1 ohne zusätzliche Betreuungsleistungen: Pflegegrad 2
  • Pflegestufe 1 mit zusätzlichen Betreuungsleistungen: Pflegegrad 3
  • Pflegestufe 2 ohne zusätzliche Betreuungsleistungen: Pflegegrad 3
  • Pflegestufe 2 mit zusätzlichen Betreuungsleistungen: Pflegegrad 4
  • Pflegestufe 3 ohne zusätzliche Betreuungsleistungen: Pflegegrad 4
  • Pflegestufe 3 mit zusätzlichen Betreuungsleistungen: Pflegegrad 5
  • Härtefallregelung: Pflegegrad 5

Die Leistungen und Geldbeträge der Pflegekasse für ambulante Hilfen werden auch entsprechend gestaltet:

  • Pflegegrad 1: Pflegegeld 0 € – Sachleistung 0 €
  • Pflegegrad 2: Pflegegeld 316 € – Sachleistung 689 €
  • Pflegegrad 3: Pflegegeld 545 € – Sachleistung 1.298 €
  • Pflegegrad 4: Pflegegeld 728 € – Sachleistung 1.612 €
  • Pflegegrad 5: Pflegegeld 901 € – Sachleistung 1.995 €

Die für die Betreuungsleistungen einsetzbaren Gelder, die es bisher in Höhe von 104 € bzw. 208 € pro Monat gab, werden mit dieser Reform für alle pauschal auf 125 € im Monat neu festgesetzt (mit einer Ausnahme der Menschen, die bisher unter die Härtefallregelung gefallen sind). Schwierig dabei ist, dass die möglichen Sachleistungen der Pflege auch 2017 weiter über die bekannten Modulbögen abgerechnet werden können und damit verfügbare Hilfen für die Betreuung faktisch gekürzt werden.

Die Pflegekasse übernimmt auch wieder Beitragszahlungen an die Rentenkasse, jetzt für Menschen, die Betroffene ab dem Pflegegrad 2 mindestens 10 Stunden in der Woche verteilt auf mindestens 2 Tage pflegen. Dazu kommen auch mögliche Leistungen der Arbeitslosenversicherung, für Menschen, die für die Pflege ihre Berufstätigkeit beenden.

Wiederholungsbegutachtungen werden bis zum 01.01.2019 für diejenigen ausgesetzt, die jetzt aus ihrer Pflegestufe in einen Pflegegrad übergeleitet werden. Dazu gibt es die Ausnahme, wenn der Pflegebedarf feststellbar – d.h. z.B. in einem neuen niedrigeren Pflegegrad – verändert und der/die GutachterIn dazu konkrete Hinweise und Gründe für eine solche Verbesserung (wie z.B. eine Operation oder andere Rehabilitationshilfen) benennen kann.

Neu ist auch, dass sich ab sofort die Gutachter des MDK bei ihrem Besuch durch einen gültigen Dienstausweis mit einem Lichtbild ausweisen müssen. Ebenso müssen sich aber auch die Menschen, die begutachtet werden sollen, sich entsprechend ausweisen, soweit der/die Gutachterin dafür konkrete Gründe im Gutachten benennen kann.

Die Pflegebedürftigkeit muss — vergleichbar zum Begriff der Behinderung — auf Dauer, d.h. für voraussichtlich mindestens 6 Monate bestehen.

Zur Begutachtung gibt es 6 Module, die unterschiedlich gewichtet werden:

  • 1 – Mobilität – 10 %
  • 2 – Kognition und Kommunikation
  • 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Modul 2 und 3 werden zusammen bewertet mit 15%
  • 4 – Selbstversorgung – 40 %
  • 5 – Bewältigung von und mit selbstständigen Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen – 20%
  • 6 – Gestaltung des Alltagsleben und sozialer Kontakte – 15 %

Dazu kommen noch die Module

  • 7 – Außerhäusliche Aktivitäten und
  • 8 – Haushaltsführung

Diese werden allerdings nicht in die Berechnung des Pflegegrades mit einfließen. Sie sind aber wichtig in Bezug auf die Planung der Hilfen und die Empfehlungen des/der GutachterIn in Bezug auf die Gestaltung der notwendigen Pflege und Betreuung.

Grundsätzlich ist es dabei durchaus möglich, dass einzelne Beeinträchtigungen und Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln mehrfach abgefragt und berücksichtigt werden.

Neu ist dabei, dass es für die o.g. Module 1, 2, 4 und 5 klare abschließend formulierte Kriterien gibt, wie die Punkte zugeordnet werden. Dies sind Ja/Nein-Fragen oder die Nachfrage von Häufigkeiten bezogen auf bestimmte Zeiträume (pro Tag, Woche, Monat). Zu jedem so festgelegten Kriterium gibt es festgelegte Definitionen der Zuordnung in den Richtlinien. Etwas anders wird dies im Modul 3 gehandhabt.

Besonderheiten der Zuordnung

  • Bei dem Modul 1 gibt es die Besonderheit, dass, wenn ein Pflegebedürftiger beide Arme und Beine nicht mehr nutzen kann, automatisch in den Pflegegrad 5 eingeordnet wird – d.h. ohne Berücksichtigung der ansonsten zugeordneten Punkte.
  • Bei dem Modul 2 ist neu, das hier gezielt und genau die geistigen Fähigkeiten wie z.B. die zeitliche und örtliche Orientierung, die Fähigkeiten des Sich-Erinnern können oder seinen Alltag selbst zu gestalten, das Erkennen von Risiken und die Möglichkeiten sich mitzuteilen und verstehen zu können (keine abschließende Aufzählung!) gezielt inhaltlich nachgefragt werden.
  • Bei Modul 3 geht es um die Nachfrage nach für die Pflege schwierigen Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen. Dabei werden Häufigkeiten erfragt, ob diese nie / sehr selten oder selten d.h. einmal bis dreimal in 2 Wochen oder häufig d.h. zweimal bis mehrmals wöchentlich oder täglich auftreten.
  • Gut an den diesen beiden Modulen 2 und 3 ist, dass hier nun eine klare Bewertung gibt, d.h. nur noch sehr geringe Interpretationsspielräume bei der Bewertung im Gutachten gibt. Diese beiden Module werden zusammen bewertet.
  • Im Modul 4 Selbstversorgung begegnet uns die schon aus den alten Richtlinien vertraute Notwendigkeit der unmittelbaren Pflege, die hier mit 40 % Anteil an der Zuordnung gewichtet wird. Hier ist neu, dass nicht mehr die gesamte Körperpflege und sonstige Selbstversorgung nachgefragt wird, sondern nur noch ausgewählte Punkte, die Rückschlüsse auf den gesamten Bedarf zulassen – wie z.B. das Waschen des Oberkörpers und des Kopfes. Hier sind dann auch die bekannten Inhalte wie die notwendigen Hilfen beim Essen, dem An- und Ausziehen und der Intimpflege zu finden.
  • Im Modul 5 wird die sogenannte Behandlungspflege gezielt erfragt und damit bewertet. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Hilfen durch Pflegepersonen oder Pflegefachkräfte durchgeführt werden. Die Behandlungspflege bezieht sich dabei auf ärztlich angeordnete Maßnahmen, die gezielt auf eine bestehende Erkrankung gerichtet ist und für voraussichtlich mindestens 6 Monate notwendig wird. Eine Abrechnung dieser Behandlungspflege über die Krankenkasse muss nicht nachgewiesen werden. Neu ist hier das auch Therapien, die zu Hause angeboten werden, berücksichtigt werden. Diese müssen dann allerdings ärztlich verordnet sein. Neu ist auch die Bewertung der Überwachung von Diäten oder anderer ärztlichen Verhaltensvorschriften. Dazu kommen die bekannten Arztbesuche und alle ärztlich verordneten ärztlichen Behandlungen und Therapien außerhalb des Hauses. Neu ist auch, dass hier bei Kindern die Nutzung der Frühförderung mit berücksichtigt wird.
  • Neu und positiv ist auch das ein komplettes Modul 6 zu den Themen Alltagsleben und soziale Kontakte in die Bewertung mit einfließt. Hier ist es ohne Belang, woher sich solche Beeinträchtigungen des Alltags ergeben. Hier finden sich z.B. Hilfen im Rahmen es Aufstehens und Zubettgehen wieder. Gut ist, dass hier auch gezielt die Möglichkeiten der Betroffenen zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Alltagsgestaltung und der Gestaltung und Durchführung ihrer sozialen Kontakte abgefragt werden.

Für die neue Begutachtung von Kindern bis zum 18. Lebensjahr gelten im wesentlichen die hier beschriebenen Kriterien der allgemeinen Begutachtung. Es bleibt aber dabei, dass hier nur die Abweichung von den Fähigkeiten anderer altersentsprechend entwickelter Kinder bewertet wird. Dazu soll es aber eine neue Bezugstabelle für diese altersentsprechenden Fähigkeiten geben. Diese Altersgrenzen gelten aber nicht in den Modulen 3 und 5.

Sonderregelungen gibt es für Kinder bis zum Lebensalter von 18 Monaten. Diese müssen z.B. häufiger begutachtet werden. Weiterhin werden die Module wie folgt abgefragt:

  • Modul 1: Mobilität – Hier wird nur abgefragt, ob beide Arme und Beine nicht genutzt werden können
  • Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen komplett
  • Modul 4: Selbstversorgung – hier wird abgefragt, ob es gravierende Probleme bei der Nahrungsaufnahme gibt, die einen pflegeintensiven Bedarf im Bereich der Ernährung notwebdig machen — wird diese Frage bejaht, werden hier 20 Punkte zugeordnet
  • Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen komplett. In diesem Bereich wird dann pauschal einen Pflegegrad höher eingestuft.

Aktuell wird davon ausgegangen, dass ein Besuch für eine Begutachtung auf der Grundlage dieser neuen Richtlinien mindestens eine Stunde dauern wird.

Die so erstellten Gutachten werden dem Versicherten zugeschickt. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Versicherte dies ausdrücklich nicht möchte. Die GutachterInnen sollen ihre Gutachten transparent gestalten und ihre Gründe verständlich erläutern. Mit dem Einverständnis des Betroffenen sollen auch die Pflegepersonen oder andere Vertreter und Unterstützer dabei befragt werden. Dabei muss der/die GutachterIn feststellen, ab wann die Pflegebedürftigkeit besteht. Ein bloßes Ausstellen auf das jeweilige Datum der Begutachtung ist nicht möglich.

Nach dem 31.12.2017 (!) soll zwischen dem Eingang des Antrags und der Erstellung des Bescheids nur 25 Tage liegen. Dazu gelten die beiden Ausnahmen, das hier bei einer Begutachtung in einem Krankenhaus, einer Palliativeinrichtung, in einer Reha-Einrichtung oder auch einem Hospiz dies innerhalb einer Woche stattfinden muss. Ist der Pflegebedürftige zu Hause und hat die Pflegeperson Pflegezeit beantragt, gibt es dazu 2 Wochen Zeit.